Kuchipudi

Die Grundtechnik des Kuchipudi gleicht der des Bharatanatyam, mit seinen Tanzschritten und seinen Schrittkombinationen, verfügt jedoch über ein eindeutig eigenes Wesen. Der Fuss wird zu einem schnelleren Rhythmus und leichter auf die Erde gestampft, und die typische Araimandi-Stellung (demi-plié) des Bharatanatyam ist im Kuchipudistil nicht immer so offensichtlich. Die Tänzerin bewegt sich mit dynamischen Bewegungen über die ganze Bühne und gibt diesem Tanzstil mit einem leicht überbetonten Schwung des Oberkörpers eine feminine Eleganz.

Auch verfügt der Kuchipudi über eine grössere Vielfalt an Kopf- und Hüftbewegungen, Fusspositionen, Sprüngen, Pirouetten und Gangarten, die alle auf das Natya Shastra zurückgehen. Heute zeichnet sich dieser brilliante Tanzstil als eine höchst interessante Mischung von Alt und Neu aus.

Die Virtuosität und die ästhetisch anmutenden, fliessenden Bewegungen geben dem Tanz eine einmalige Dynamik und bewirken, dass sich Kuchipudi weltweit zunehmender Beliebtheit erfreut.

Das Kuchipudi-Tanzdrama und seine typische Technik gehen zurück auf die Zeit zwischen dem 6. und 8. Jahrhundert, als der Kult der Bhakti und Hingabe mit seiner Betonung auf eine persönliche Liebe zur Gottheit sich von Tamil Nadu ausgehend wie ein Buschfeuer über Indien ausbreitete. Die Mystiker und Seher, die sich diesem Kult verschrieben hatten, zogen zur Lobpreisung der Götter tanzend und singend von Ort zu Ort.

Obwohl wir nichts Genaueres über die Reihenfolge ihres Auftretens wissen, können die eng verwandten Tanzdramastile von Bhagavata Mela, Kuchipudi und Yakshagana auf die Bemühungen dieser Mystiker zurückgeführt werden. Aus verschiedenen Quellen erfahren wir jedoch, dass diese Stile schon vor dem 16. Jahrhundert existierten.

Tirtha Narayana Yati und seinem Schüler Siddhendra Yogi verdanken wir die Schöpfung der Grundlage für den Kuchipudi, wie er heute getanzt wird.

So wird erzählt, dass Ende des 13ten Jahrhunderts der Weise Siddhendra Yogi, inspiriert durch eine Vision von Krishna, im Dorfe Kuchipudi, im Staat Andra Pradesh junge Männer der Priesterkaste aufmunterte, die von ihm kreierte Stilrichtung des Andra Tanzes zu erlernen und die heilige Legende von Rhada – Krishna mit seinen Bhama-Kalapam-Kompositionen unter die Leute zu bringen. Ethische Gründe verbaten es Siddhendra Yogi, die Devadasis in die neue Tanzkunst einzuweihen. So blieb Kuchipudi mit zunehmendem Tanz-Theater-Charakter über Jahrhunderte reine Männersache.
Mit der Unabhängigkeit Indiens wurde man sich im ganzen Lande des vielen, fast vergessenen, uralten Kulturgutes wieder gewahr. So war es dann auch u.a. Sri Vedantam Lakshmi Narayana Sastry`s grosses Verdienst, Kuchipudi wieder als klassischen Solotanz mit heute vornehmlich weiblichen Hauptdarstellerinnen zurück gebracht zu haben.

In jüngerer Zeit haben bedeutende Gurus wie Vedantam Satyanarayana, Nataraja Ramakrishna, Vempati Chinna Satyam, Narasimha Chari und einige andere dazu beigetragen, diese Kunstform zu erhalten und weiter zu entwickeln.